Geschätzte Mitglieder der Zürcher Kunstgesellschaft
Wir blicken auf ein ereignisreiches und bewegtes Jahr zurück, das unser Haus mit zahlreichen Highlights und prägenden Momenten bereichert hat. Unser Publikum war begeistert und hat dem Kunsthaus zum wiederholten Mal sehr erfreuliche Zahlen beschert. Wir haben im Kalenderjahr 2024 513 162 Besucherinnen und Besucher gezählt – nach dem ersten vollen Betriebsjahr der Kunsthaus-Erweiterung 2022 mit 555 529 Besuchenden ist dies die höchste Zahl in der über 115-jährigen Geschichte des Hauses.
Dieser Erfolg beruht auf unserem attraktiven Programm, das sowohl die Zürcher und Schweizer Bevölkerung als auch international immer mehr Menschen in seinen Bann zieht. Besonders hervorzuheben ist die Ausstellung «Matthew Wong – Vincent van Gogh. Letzte Zuflucht Malerei», die mit 63 496 Besuchenden als die erfolgreichste Ausstellung des Jahres galt und den künstlerischen Dialog zwischen zeitgenössischer Malerei und Meisterwerken vergangener Jahrhunderte eindrucksvoll zum Ausdruck brachte.
Auch andere Formate – von der bewegenden Retrospektive zu Marina Abramović, die einen regelrechten Ansturm und die grösste Medienkonferenz in der Geschichte unseres Hauses auslöste, bis hin zu den kontrastreichen Ausstellungen wie beispielsweise Walid Raads Inszenierung, in der Performancekunst und klassische Malerei im Chipperfield-Bau in einen inspirierenden Dialog traten – zeugen von der facettenreichen und ansprechenden Vielfalt unseres Programms. Ebenso unvergesslich bleibt die farbenfrohe, poppige Ausstellung von Kiki Kogelnik, die pure Lebensfreude vermittelte, sowie der spannende Teil zwei der aussergewöhnlichen Sammlung Looser unter dem Titel «Natur – Mythos – Abstraktion». Arte Povera feiert weltweit eine Renaissance und der neu gezeigte Sammlungsschwerpunkt von Hubert Looser wurde von den Kunstmedien mit Begeisterung aufgenommen.
Neben diesen künstlerischen Höhepunkten standen auch herausfordernde und zugleich richtungsweisende Themen im Mittelpunkt unserer Arbeit. Unsere Provenienzstrategie wurde im vergangenen Sommer konkret umgesetzt, als wir gemeinsam mit den Erben des jüdischen Kunstsammlers Carl Sachs eine faire Lösung für ein Werk von Claude Monet erarbeiten konnten. Diese Vorgehensweise unterstreicht unser lösungsorientiertes und case by case basiertes Engagement im Umgang mit Werken, bei denen substanziierte Hinweise auf NS-verfolgungsbedingte Zwangslagen vorliegen.
Ein weiterer wichtiger Meilenstein in dieser Richtung war die Fachtagung, die das Kunsthaus in Zusammenarbeit mit dem Landesmuseum und dem Museum Rietberg im November 2024 organisierte. Über 150 Fachpersonen aus aller Welt diskutierten intensiv den sensiblen Umgang mit Kulturgut, ein Zeichen dafür, dass auch die gesellschaftliche Verantwortung im kulturellen Bereich höchste Priorität geniesst.
Neben diesen inhaltlichen Errungenschaften hat uns auch die Sammlung Bührle weiterhin beschäftigt. Über 230 000 Besuchende in der Sammlung zeigen die ungebrochene Strahlkraft dieser grossartigen Sammlung. Neben vielseitigen Veranstaltungen – von künstlerischen Performances über Diskussionsformate bis hin zu Filmscreenings – haben wir die Auseinandersetzung mit den komplexen historischen Hintergründen der Werke in den Vordergrund gestellt. Die damit einhergehende öffentliche Debatte belegt, dass unser Publikum nicht nur die Kunstwerke an sich, sondern auch deren Bedeutung und Geschichte verstehen möchte. Parallel dazu wurde die bestehende Provenienzforschung zur Sammlung Bührle extern evaluiert, was den weiteren Forschungsbedarf aufgrund der bestehenden Forschung bestätigt hat. In diesem Kontext sind die Zürcher Kunstgesellschaft und die Stiftung Sammlung Bührle in intensiven Gesprächen. Dabei ist es unser Ziel und unsere Hoffnung, auf der Grundlage der bestehenden Verträge eine partnerschaftliche und zukunftsfähige Lösung zu finden, bei der unser Publikum die wunderbaren Kunstwerke der Sammlung Bührle auch weiterhin bei uns bewundern kann.
Ein freudiger, aber auch emotionaler Moment war das unerwartete Wiederauftauchen zweier seit Anfang 2023 vermisster Altmeister-Gemälde, die bereits wieder in unseren Sammlungsräumen hängen und uns in Zusammenarbeit mit Polizei, Staatsanwaltschaft und den Eigentümerfamilien ein grosses Gefühl der Erleichterung und Dankbarkeit bescherten.
Unsere Sammlung wurde zudem durch aussergewöhnliche Schenkungen und beeindruckende Leihgaben von Privatsammlerinnen und -sammlern bereichert – von bedeutenden Werken Hodlers und Gauguins bis hin zu zeitgenössischen Meisterwerken von Bacon und Richter. Ein besonderer Dank gilt dabei auch unseren treuen Kunstfreunden, die das Museum seit über hundert Jahren mit neuen Leihgaben unterstützen und somit den Bogen von der Moderne bis zur Gegenwartskunst spannen.
Gleichzeitig fordern strukturelle Herausforderungen und das weiterhin abnehmende Vereinskapital der Zürcher Kunstgesellschaft unsere Anstrengungen, um den Fortbestand und die finanzielle Stabilität unseres Hauses zu sichern. Mit dem klaren Ziel, innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre zu einem ausgeglichenen Ergebnis zu kommen, arbeitet der Vorstand gemeinsam mit der Geschäftsleitung intensiv an verschiedenen Massnahmen. Im Herbst 2024 reichten wir bei der Stadt Zürich einen Antrag auf Subventionserhöhung ein und setzen auf eine Stärkung unserer public-private-Partnerschaft, die auch eine Erhöhung des Anteils eigener Einnahmen impliziert. Uns ist bewusst, dass dies ein Kraftakt ist, für den wir Ihr Engagement als Botschafterinnen und Botschafter unseres Hauses benötigen – dafür möchte ich mich von Herzen bedanken.
Inmitten all dieser Erfolge und Herausforderungen hat uns am 5. Oktober die traurige Nachricht vom Ableben unseres lieben Freundes, Mäzens und leidenschaftlichen Kunstsammlers Werner Merzbacher erreicht. In tiefer Trauer nehmen wir Abschied von ihm. Werner Merzbacher hinterlässt eine der bedeutendsten Kunstsammlungen der Moderne, deren Wesen seine grenzenlose Begeisterung für die Kunst und seine Fähigkeit, sie als ein befreiendes «Fest der Farbe» zu erleben und zu teilen, widerspiegelt. Die dem Kunsthaus Zürich als Dauerleihgabe übergebene Sammlung, die Meisterwerke des Fauvismus, des Expressionismus sowie Werke von Künstlerinnen und Künstlern des «Blauen Reiters» umfasst, berührt gemeinsam mit der bezaubernden Installation von Pipilotti Rist die Herzen und Sinne unserer Besucherinnen und Besucher täglich aufs Neue. Seine grosszügige Förderung, seine Treue und seine Leidenschaft für die Kunst bleiben unvergessen und stellen ein unschätzbares Vermächtnis dar.
Das Kunsthaus öffnete sich unter der neuen Direktorin Ann Demeester im Jahr 2024 verstärkt nach aussen. Wir gingen neue Partnerschaften mit nationalen und internationalen Institutionen ein – etwa mit der Royal Academy, London, dem Van Gogh Museum, Amsterdam, dem Stedelijk Museum Amsterdam, der Hamburger Kunsthalle, dem TBA21 Thyssen-Bornemisza Art Contemporary, Madrid, dem Zürcher Theater Spektakel, dem Theater Neumarkt, der Wasserkirche, dem Landesmuseum sowie dem Museum Rietberg (alle in Zürich).
Intern haben wir das Haus für die Zukunft weiter gestärkt: Neben einem pro bono durchgeführten Health Check durch die Boston Consulting Group wurde zum 1. Januar 2025 der neue Bereich Publikum geschaffen, um die Kunstvermittlung zu stärken und Besuchende noch engagierter für das Haus zu gewinnen und langfristig zu halten. Dieser Bereich wird von Alex Hefter geführt, den wir bereits im März 2024 als Nachfolger von Christoph Stuehn begrüssen durften.
Das Kunsthaus will seine Kernwerte Freude, Neugier und Integrität stärken und auf verständliche, freundliche und überraschende Weise Menschen einladen, sich selbst und die Welt durch Kunst anders zu erfahren. Notwendig in komplizierten und turbulenten Zeiten wie den unseren. Mit Unterstützung von Jung von Matt hat das Kunsthaus diesen Markenkern geschärft und Vorschläge entwickelt, wie ein neues Selbstverständnis in Zukunft von Mitarbeitenden gelebt und für alle Stakeholdergruppen sichtbar und spürbar erlebt werden kann.
Neue Impulse erhielt auch unser Vorstand. Wir durften neu in unserer Runde Gitti Hug von den Zürcher Kunstfreunden, Eléonore Bernard als Vertreterin der Mitarbeitenden sowie Seraina Rohrer als Vertreterin des Kantons Zürich aufs Herzlichste begrüssen. Bei Franz Albers, Jakob Diethelm und Madeleine Herzog, die aus dem Vorstand ausgetreten sind, dürfen wir uns sehr herzlich für ihre aktive Teilnahme im Vorstand in den vergangenen Jahren bedanken.
Mit diesem facettenreichen Jahresrückblick und dem Blick auf anstehende, spannende Projekte möchte ich Sie auf den folgenden Geschäftsbericht einstimmen, der Ihnen nicht nur unsere Erfolge, sondern auch die Herausforderungen und strategischen Weichenstellungen für die Zukunft näherbringt.
Mein besonderer Dank geht an die Mitglieder des Vorstands der Zürcher Kunstgesellschaft, der ehrenamtlich wirkt, an die Stiftung Zürcher Kunsthaus, den Präsidenten Kaspar Wenger und an den Geschäftsführer Matthias Alber.
Mein Dank gilt weiter Stadt und Kanton Zürich, unseren Partnern UBS und Swiss Re sowie allen Sponsoren, Stiftungen und Gönnerinnen und Gönnern.
Zum Schluss möchte ich mich auch persönlich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Kunsthauses ganz herzlich für ihren ausserordentlichen Einsatz bedanken.
Mit Anerkennung und Respekt dürfen der Vorstand, dürfen Sie, liebe Mitglieder, diesen Jahresbericht 2024 zur Kenntnis nehmen. Viel Wissenswertes steckt darin. Persönlich lerne ich viel daraus, und in der Hoffnung, dass Sie mit dem, was Ihr Verein im letzten Jahr erreichte, zufrieden sind, empfehle ich Ihnen diesen Jahresbericht sehr gerne zur Lektüre.