Sammlung

Für die Sammlung des Kunsthauses war 2024 ein ereignisreiches Jahr. Anfang 2023 waren während der Arbeiten zur Behebung des Brandes von 2022 zwei kostbare niederländische Gemälde einer langfristig im Kunsthaus deponierten privaten Sammlung verschwunden. Sie konnten im Mai 2024 unversehrt und in gutem Zustand sichergestellt werden. Die Freude war gross, nicht zuletzt bei den Eigentümern. Diese haben die Gruppe ihrer im Kunsthaus deponierten Werke sogar um ein Gemälde des Malers van den Hoecke erweitert. Wir danken den Eigentümern herzlich für ihr Vertrauen, ihre Geduld und ihre stete Unterstützung!

NEUZUGÄNGE, SCHENKUNGEN UND DAUERLEIHGABEN

Bleiben wir beim Thema der Neuzugänge des Jahres 2024. Sie sind dort alle im Detail verzeichnet. Eine Auswahl Neuzugänge wird wie üblich im Bildteil vorgestellt. Im vorliegenden Text werden in der Folge Schenkungen und Dauerleihgaben aus den Kategorien Gemälde, Skulpturen und Installationen eigens erwähnt. Schenkungen bzw. Dauerleihgaben betreffend Werke auf Papier, Videos, Fotografien und Werke der Medienkunst sind demgegenüber im Bericht der Grafischen Sammlung zu suchen.

Herzlich verdankt werden Schenkungen von Werken Jonathan Monks seitens der Familie Raeber und von Tobias Kaspar seitens dieses Künstlers selbst. Was die Dauerleihgaben angeht, sind aus den Bereichen Gemälde, Skulpturen und Installationen zusätzlich zum oben genannten Werk Robert van den Hoeckes zu erwähnen: Werke der Vereinigung Zürcher Kunstfreunde, der Mariann Steegmann Art Foundation (ein Gemälde von Alberto Giacometti), der Sammlung Gabriele und Werner Merzbacher (ein Gemälde von Alexej von Jawlensky) sowie aus einer Schweizer Privatsammlung (zwei Gemälde Ferdinand Hodlers, eines von Gerhard Richter und eines von Francis Bacon). Aus einer zweiten Sammlung wurde uns eine Vitrine von Joseph Beuys als Dauerleihgabe anvertraut, die sich inhaltlich auf James Joyce bezieht und damit auch einen Zürich-Bezug hat. Wir danken allen Dauerleihgeberinnen und Dauerleihgebern ganz herzlich. Zu verzeichnen sind im Berichtsjahr zudem ungewöhnlicherweise gleich mehrere Abgänge, darunter sieben Dauerleihgaben und ein Sammlungswerk. Der Ausgang eines Sammlungswerks, eines frühen Gemäldes von Claude Monet, wird im Text zur Arbeit der Abteilung Provenienzforschung erläutert.

NEUPRÄSENTATION DER SAMMLUNG LOOSER

Ein Hauptprojekt des Berichtsjahrs war die am 28. November 2024 im Chipperfield-Bau eröffnete Neupräsentation der Sammlung Looser. Diese Sammlung ist seit Oktober 2021 mit einer Dauerleihgabe von rund 70 Werken im Kunsthaus präsent und wird in Form wechselnder Präsentationen gezeigt. Hauptakzente bilden Werke des Abstrakten Expressionismus, der Minimal Art und der italienischen Arte Povera. Die Neupräsentation rückt Giuseppe Penone (*1947), einen der Hauptvertreter der Arte Povera, ins Zentrum. Arte Povera bedeutet wörtlich «arme Kunst». Gemeint war damit das Schaffen von Kunst ohne die Einschränkungen traditioneller Praktiken und Materialien. Zum Einbezug dieser Kunst in seine Sammlung sagt Hubert Looser: «Ich wollte den Amerikanern mit ihrer abstrakten Kunst eine europäische Richtung gegenüberstellen. Da wurde ich auf die Arte Povera aufmerksam.» Penones Werke werden von Arbeiten geistesverwandter Künstler wie Lucio Fontana und Mario Merz begleitet. Zusätzlich runden Meisterwerke von Willem de Kooning, Anselm Kiefer, Sean Scully, Fabienne Verdier und anderen die Präsentation ab und vertiefen den Dialog zwischen den verschiedenen künstlerischen Ansätzen.

SAMMLUNGSWERKE IN AUSSTELLUNGSPROJEKTEN IM KUNSTHAUS

Kommen wir nun zu einigen Ausstellungsprojekten, bei denen Sammlungswerke eine bedeutende Rolle spielten. Genannt seien zwei Projekte der Reihe «ReCollect!»: Im März 2024 wurde im Chipperfield-Bau ein zweites Kapitel zum 2023 im Moser-Bau realisierten «ReCollect!»-Projekt von Ida Ekblad und Matias Faldbakken eröffnet. Im Dezember 2024 begann im Erdgeschoss die Ausstellung des eindrucksvollen «ReCollect!»-Projekts der französisch-marokkanischen Künstlerin Yto Barrada. Sammlungswerke waren aber auch in anderen internen Ausstellungsprojekten vertreten. Erwähnt sei die im Februar eröffnete Ausstellung von Barbara Visser, «Alreadymade», die u. a. im Kunsthaus bewahrte Werke von Germaine Richier, Pablo Picasso und Alberto Giacometti einbezog; sodann die im März eröffnete Sonderausstellung «Apropos Hodler», die massgeblich auf zahlreiche Hodler-Gemälde aus der Sammlung aufbauen konnte. Erwähnt sei auch die Ende September eröffnete Ausstellung zu Matthew Wong und Vincent van Gogh, im Rahmen derer neun Gemälde van Goghs aus der Sammlung und von im Kunsthaus deponierten Dauerleihgaben integriert werden konnten. Über die reine Präsenz hunderter von Werken in den Sammlungsräumen in allen Gebäudeteilen hinaus bereichert die Sammlung das Leben des Museums also auch stark durch die Anregung und Speisung wichtiger Ausstellungsprojekte.

Insgesamt erweist sich die von Direktorin Ann Demeester eingeleitete Überwindung der bis anhin recht starren Trennung von Projekten der beiden Bereiche «Ausstellungen» und «Sammlung» also auch diesbezüglich als eine positive Initiative.

Erwähnt sei des Weiteren ein interessantes, zwei Werkankäufen aus der Altmeisterkunst gewidmetes Projekt: Das Kunsthaus hatte 2019 auf Vorschlag und mit den Mitteln der Dr. Joseph Scholz-Stiftung ein Tizian zugeschriebenes Werk in Öl auf Papier erworben. In der Hoffnung, mehr über Zeit und Ort der Entstehung dieses Werks zuerfahren, dessen Ankauf in den Medien zum Teil kritisiert wurde, wurde 2023 eine damals aufgetauchte zweite Version der Komposition ebenfalls erworben. Ein damals ins Leben gerufenes Forschungsprojekt, das nebst kunsthistorischen Fragestellungen nicht zuletzt aufwendige kunsttechnologische Untersuchungen beider Werke umfasste, sollte per Ende 2024 beendet werden, wird aber nun in seinen Hauptergebnissen in 2025 vorgestellt werden.

DIGILAB

KI, Big Data, Quantified Self: Die digitale Transformation ist die grosse Herausforderung unserer Zeit. Inzwischen bestimmen Computer und Künstliche lntelligenz jeden Lebensbereich, ein Prozess, der bereits in den 1950er-Jahren einsetzte, 1970 am Jewish Museum (NYC) mit «Software: Information Technology» die erste Ausstellung ausrichtete, und 2024 mit «Electric Dreams» (Tate, London) und «Radical Software» (Mudam, Luxemburg) weiter beleuchtet wurde. Das Kunsthaus Zürich hat parallel zur Eröffnung des Chipperfield-Baus 2021 das «Digilab» lanciert, um Produktion und Reflexion in diesem Bereich zu fördern. Nach den Beiträgen der !Mediengruppe Bitnik, von Nora Turato und James Bridle konnte man 2024 die Werke von Pauline Boudry, Brigitta Kuster & Renate Lorenz, Jürg Lehni sowie Klaus Maeck & Tanja Schwerdorf kennenlernen.

Wie sich in dieser Auflistung schon zeigt, ist computer-basierte Kunst selten das Werk einer Person allein, sondern entsteht weitgehend im Kollektiv. Maeck & Co zeigen es deutlich: Der Film «ALLES IST EINS. AUSSER DER 0» (2021) dient als «Punk-Porträt» idealistischer Computerpioniere und erzählt nebenbei grosse Zeitgeschichte. Boudry & Co. haben im Kunstfilm «Copy me – i want to travel» (Arte, 2004) die unbekannte, aber relevante Geschichte des Pravetz II-PCs untersucht. Lehni wiederum hat mit «Apple Talk» (2002 / 07) sowie «Four Transitions» (2020) die ästhetische Kraft des Fehlerhaften und Vergänglichen bei Hard- und Software ins Zentrum gerückt. Alles Werke, die uns einladen, das Narrativ des radikal Affirmativen vs. Apokalyptischen differenziert zu betrachten.

LEIHWESEN

Was Leihgaben ausserhalb des Kunsthauses betrifft, ist zu sagen, dass die starke Reduktion des Leihwerks aufgrund der Corona-Pandemie Geschichte ist. Im Jahr 2024 wurden Sammlungswerke an insgesamt 49 Ausstellungen geliehen, darunter 20 im Inland und 29 an Partner-Museen ausserhalb der Schweiz. Das Kunsthaus selber verlieh dabei 70 Gemälde und Skulpturen, die Alberto Giacometti-Stiftung fünf Skulpturen. Aus anderen, im Kunsthaus deponierten privaten Sammlungsbeständen wurden, auch hier betreut durch das Kunsthaus, sechs Gemälde ausgeliehen. Erwähnenswert ist in diesem Kontext zudem, dass eine neue Regel eingeführt wurde, derzufolge Leihansuche ans Kunsthaus nur bearbeitet werden können, wenn das Leihgesuch mindestens acht Monate vor der Eröffnung der betreffenden Ausstellung eingereicht wird. Diese ähnlich auch in anderen grossen Museen eingeführte Regelung bewahrt unsere Teams vor kurzfristigen Hauruck-Aktionen und dient letztlich auch der Sicherheit der Kunstwerke, für die das Kunsthaus Verantwortung trägt.

Philippe Büttner, Sammlungskonservator,
Cathérine Hug, Kuratorin
(Text Digilab)

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