Restaurierung

Nach einem turbulenten letzten Einzugsjahr in den Erweiterungsbau gestaltete sich die erste Jahreshälfte im 2022 in der Restaurierungsabteilung etwas ruhiger. Dennoch blieben die Alltagsarbeiten mit Leihverkehr, Ausstellungen und Neuankäufen ähnlich intensiv wie in den vergangenen Jahren. So reisten insgesamt 91 Werke an 34 Ausstellungen. Es wurden 231 Leihanfragen für externe Ausstellungen bearbeitet. Hinzu kamen die Kontrolle und konservatorische Betreuung von 399 Werken, die in Ausstellungen und Sammlungspräsentationen im Erweiterungsbau und Bestand gezeigt wurden. Zum neuen Konzept der regelmässig wechselnden Sammlungspräsentationen gehören auch vier Ausstellungspräsentationen im Cabaret Voltaire, das seit seiner Wiedereröffnung im Mai in einer nagelneuen Klimavitrine stets auch Trouvaillen aus der Kunsthaus-Sammlung zeigt.

In diesem Jahr konnte die Restaurierungsabteilung diversen Studierenden der Hochschule der Künste, Bern, sowie der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste, Stuttgart, die Möglichkeit bieten, externe Atelierzeit, Praktika oder Master-Arbeiten in einer unserer Fachabteilungen umzusetzen. Diese Kooperationen sind auch für die Restaurierungsabteilung immer fruchtbar, denn sie bereichern sie durch neue Erkenntnisse aus Forschung und Wissenschaft.

Durch den Brand Anfang August wurde die Restaurierung schlagartig mit sehr viel Arbeit eingedeckt. 688 Kunstwerke aus den vom Rauch betroffenen Räumen im Moser- und Müller-Bau mussten in kürzester Zeit evaluiert, transportfähig gemacht und evakuiert werden. Nach der Planung und Einrichtung eines Brandateliers inklusive Absauganlage sowie der Bestimmung der geeigneten Schutzausrüstungen und Reinigungsmassnahmen, konnte Mitte September mit der Feinreinigung an den Werken begonnen werden. Das eigene Team, das zeitweise komplett an dieser Mammutaufgabe gearbeitet hat, wird bis dato von sieben externen Restauratorinnen unterstützt. Zusammen mit dem Art Handling-Team konnte diese komplexe logistische Aufgabe, die etappiert vonstattengehen musste, umgesetzt werden. Das gesamte Team hat unglaubliche Arbeit geleistet und es mit Ruhe und Geduld geschafft, dass keine Kunstwerke bleibende Schäden von diesem Ereignis tragen werden.

Im Jahr 2022 wurde aufgrund der Klimakrise und des Ukraine-Kriegs zudem die Diskussion um Nachhaltigkeit und Energieeinsparung im Museum vorangetrieben im Bestreben, die bisher international gültigen Standardwerte und die zulässige Bandbreite auszudehnen, sowie das komplexe Zusammenspiel der Gebäudehülle, der Nutzung der Räume und der technischen Anlagen / Gebäudeautomation zu hinterfragen. Das Einsparpotenzial ist enorm, der Prozess muss aber reflektiert und behutsam passieren, um die Kunst nicht zu gefährden. Im Museum wurde für den Winter in diesem Zusammenhang die Temperatur leicht abgesenkt. Zudem ist die Restaurierungsabteilung Teil der neu gegründeten Plattform «Museumsklima» von ICOM Schweiz.

Die Abteilung verabschiedete Ende des Jahres Eva Glück, die das Kunsthaus Zürich nach sieben Jahren in Richtung Wien verliess, um dort eine leitende Stelle anzutreten. Wir danken ihr sehr für ihr unermüdliches Engagement im Fachbereich Grafik / Foto, den sie mit grosser Weitsicht betreut und vorangetrieben hat, und wünschen ihr für die Zukunft alles Gute. Zudem schied unsere Assistenzrestauratorin Elena Manco früher aus als erwartet, um eine Festanstellung in Genf anzunehmen. Diese Stelle konnten wir bereits Anfang Oktober mit Élise Pheulpin wieder neu besetzen.

 

GEMÄLDE

Neben der Brandreinigung, die mit 494 Gemälden ca. drei Viertel der betroffenen Werke und damit den Grossteil ausmachte, ist vor allem die Vorbereitung von Werken, die aufgrund ihres speziell heiklen Zustands normalerweise nicht auf Reisen geschickt werden, besonders hervorzuheben. So musste beispielsweise bei den Gemälden «Die Quelle» von Kokoschka und «Musik auf der Karl Johan Strasse» sowie «Hafen von Lübeck» von Munch die Malschicht vor dem Transport sehr sorgfältig kontrolliert und gefestigt werden. Auch ein rückseitig angebrachter Schwingschutz zur Reduzierung der Leinwandschwingungen beim Transport gehört mittlerweile zum Standard bei der Leihgabe solch empfindlicher Werke an externe Ausstellungen. Bei anderen Werken wurde für die Ausleihe die bestehende Einrahmung so modifiziert und optimiert, dass durch die Kombination aus Verglasung, speziellen klimastabilisierenden Materialien und luftdicht abgeschlossener Rückseite ein vor Klimaschwankungen schützender «Klimarahmen» entstand. Dies war immer dann notwendig, wenn entweder ein Werk besonders klimaempfindlich war oder die Leihdestination nicht garantieren konnte, die üblichen klimatischen Vorgaben einzuhalten. Als Beispiel der Unterstützung von und Beteiligung an externen Projekten seien hier das «Van Gogh Worldwide» und das «Thread Count – Project» sowie «Impressionist Topographies» erwähnt.

 

SKULPTUREN / PLASTIKEN

Im Bereich der Skulpturenrestaurierung begann das vergangene Jahr mit der umfangreichen Restaurierung der Gipsskulptur «Déesse» von Ödön Koch. Neben den internen Sammlungsbewegungen und dem Abbau der Skulptur «The 2000 Sculpture» von Walter De Maria stand die durch eine externe Restauratorin unterstützte monatliche Galeriepflege sowie die Reinigung und Konservierung aller Aussenskulpturen im Frühjahr an. Die zwölf Skulpturen in der Villa Tobler wurden gereinigt und dokumentiert. Die Aussenbronze «Miracolo» von Marino Marini wurde zum wiederholten Male durch ein Auto beschädigt. Sie musste vom Sockel demontiert und restauriert werden; in diesem Zuge wurde sie auch gereinigt und neuerlich mit Wachs konserviert. Zur Vermeidung einer erneuten Gefährdung durch Fahrzeuge wurde ein grösserer Sockel konzipiert und angefertigt. Auch für die Skulpturenabteilung hiess die Devise ab August: Russentfernung. Der durch den Brand verursachte Rauch hatte sich vor allem auf den horizontalen Flächen abgelegt, was bedeutete, dass besonders Skulpturen, die ohne Hauben präsentiert werden, stark betroffen waren. 98 der 173 Skulpturen in den vom Rauch betroffenen Räumen gehörten dazu. Ihre Reinigung benötigte besonders viel Zeit. Im Zuge dessen wurde auch die «Grande Femme II» von Alberto Giacometti umfänglich restauriert.

 

MEDIENKUNST UND INSTALLATIONEN

In Zusammenarbeit mit der Grafischen Sammlung wurden die in den letzten Jahren definierten Richtlinien hinsichtlich der Inventarisierung von installativen und medialen Kunstwerken schriftlich in Form eines Handbuchs festgehalten. Die Weiterentwicklung der hauseigenen Datenbank mit Hauptfokus auf der innovativen Erfassung von werkzugehörigen Geräten bei Medienkunstwerken fand durch einen Vortrag an der Tagung «Contemporary Art Conservation Revisited» in Bern grosses internationales Interesse und konnte im Rahmen einer weiteren Tagung in Helsinki präsentiert werden. Im Sommer wurde dank finanzieller Unterstützung von Memoriav, Verein zur Erhaltung des audiovisuellen Kulturguts der Schweiz, ein einjähriges Sonderprojekt gestartet. 50 Werke der Medienkunstsammlung werden durch die Grafische Sammlung kunsthistorisch und inhaltlich aufgearbeitet und durch die Medienrestaurierung konservatorisch gesichert; dazu zählt die Digitalisierung analoger Bänder, die Datenmigration bei digitalen Trägern (z. B. digitaler Bandingest und Disk Imaging) oder der Vergleich von verschieden vorliegenden Exemplaren mit Statusabklärungen. Alle digitalen Daten werden auf dem hausinternen Archivserver gespeichert.

Nach der ersten Präsentationszeit des Werkes «Tastende Lichter» von Pipilotti Rist konnte ein eher durchwachsenes Fazit zum Wartungsaufwand während des Ausstellungszyklus gezogen werden: Er war sehr gross und muss reduziert werden. Mit einer Verschiebung der Verantwortlichkeiten und einem guten Wartungsplan während der Ruhephase des Werks sollte dies möglich werden.

 

KUNSTWERKE AUF PAPIER UND FOTOGRAFIE

Im Frühjahr 2022 konnten im neuen Grafik-Kabinett im 1. Stock des Moser-Baus vier Vitrinen aus Metall permanent für regelmässige Präsentationen ungerahmter Grafik installiert werden. Die Vitrinen entsprechen den modernen konservatorischen Standards: Sie gasen keine schädlichen Stoffe aus, sind klimatisier- und ihre Beleuchtung dimmbar. Zudem lassen sie sich einfach bestücken. Zeitgleich begann auch die Kooperation mit dem Cabaret Voltaire, welches in einer speziellen Dada-Vitrine einzelne Werke und Dokumente aus der Dada-Sammlung des Kunsthauses präsentiert. Für die Ausstellung «Rudolf Koller. Die Skizzenbücher» wurden mehrere Skizzenbücher eingehend technologisch untersucht und die Ergebnisse für den Beitrag «Bild und Abbild – Materialtechnologische Beobachtungen an Rudolf Kollers Skizzenbüchern» in der Ausstellungspublikation aufbereitet. Im Sommer konnte dank der Mitarbeit eines Studenten der ABK Stuttgart bei einem Condition Survey der Sammlungsbestand an Zeichnungen in schwarzer Kreide von Miriam Cahn, datierend von 1983 bis 1990, kunsttechnologisch und restauratorisch untersucht werden. Er entwickelte Kriterien zur Recherche und Konzeption von geeigneten Lagerungsmöglichkeiten von zeitgenössischen, ungerahmt präsentierten Zeichnungen mit abriebempfindlichen Medien, die er in einer Semesterarbeit weiterführte.

Kerstin Mürer

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