Sammlung

Die Präsentation der Sammlung stand im Berichtsjahr im Zeichen der Bauarbeiten im Moserbau. Sie führten dazu, dass sowohl das gesamte Erdgeschoss in diesem Bauteil wie auch grosse Teile des Erdgeschosses im Müllerbau, wo für die im Moserbau geschlossenen Räume für die Aufsichten und den Shop Ersatz gefunden werden musste, als Orte zum Präsentieren von Sammlungswerken wegfielen. Die weltweit einzigartigen Bestände von Alberto Giacometti zogen nach der grossen Ausstellung zu den Gipsen im Bührlesaal in das Zwischengeschoss des Müller-baus. Ausstellungsarchitekt Ulrich Zickler entwarf dort eine Architektur, die u. a. mittels grosser Podeste ruhige und sichere Räume für die Skulpturen und Gemälde schuf. Die Hinzunahme einer Raumeinheit im obersten Stock für die surrealistischen Skulpturen erlaubte es, auch diesen Werken, für die neue Vitrinen angeschafft wurden, gute Räume bereitzustellen. Eindrucksvoll ist zudem die räumliche Verbindung der späten Gipse mit den Plastiken eines grossen Bewunderers Giacomettis, Cy Twombly.

SAMMLUNGSHÄNGUNGEN: VON VALLOTTON ZU ITTEN

Trotz des auch durch die Verschiebung der Giacometti-Bestände in den Müllerbau nochmals deutlich reduzierten Raumangebots konnten im Sammlungsbereich einige zusätzliche Akzente gesetzt werden. Im zweiten Stock des Moserbaus konnte aus Anlass des Ende 2016 getätigten Ankaufs von Félix Vallottons frühem Hauptwerk «La malade» von 1892 durch die Vereinigung Zürcher Kunstfreunde (siehe Jahresbericht 2016) ein Vallotton-Saal eingerichtet werden, der die Bedeutung des neuen Werks zur Abrundung der Kunsthaus-Werkgruppe augenfällig machte und während des gesamten Berichtsjahres offen blieb. In den Räumen im ersten Stock des neueren Teils des Moserbaus (Durchgangsraum) und des Müllerbaus (Bereich unter der Giacometti-Empore), die regelmässig mit wechselnden Sammlungs-Accrochagen bespielt werden, konnten zum einen Werke der geometrischen Abstraktion und zum anderen zuerst Gemälde von Varlin, anschliessend aber solche von Paul Klee, Felix Itten und Otto Meyer-Amden (sowie Skulpturen von Pablo Picasso) installiert werden. Das nur noch partiell nutzbare Erdgeschoss des Müllerbaus wurde u. a. zur Präsentation von Urs Fischers monumentaler Skulptur «8» von 2014 genutzt, das der Künstler dem Kunsthaus ja als «Grundstein» für den Erweiterungsbau geschenkt hatte.

«REFORMATION» UND DIE FOLGEN

Im September 2017 kam es aufgrund der Einrichtung der «Bilderwahl!»-Ausstellung zum Thema «Reformation» im ersten Stock des Moserbaus zu grösseren Umstrukturierungen. Die Ausstellung selber, die hier beschrieben wird, bot die willkommene Möglichkeit, entsprechend dem dichten, inhaltsreichen Konzept von Gastkurator Andreas Rüfenacht, eine ganze Reihe von Werken vom Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert wieder zu entdecken, die lange nicht mehr gezeigt worden waren. Parallel zu dieser Ausstellung – aber separat von ihr – wurde im Müllerbau im ersten Stock eine spezielle Accrochage realisiert, die einem Thema gewidmet war, das sich mit demjenigen der Reformations-Ausstellung verband: dasjenige des Bilderverbots und der Präsenz oder Absenz des Menschenbildes im religiös-figürlichen und im abstrakten Bild. Werke von Mark Rothko und Barnett Newman stiessen hier zum einen auf Chagalls «Märtyrer», zum anderen auf eine eindrucksvolle Ecce-Homo-Darstellung des sogenannten Meisters des Morrison-Triptychons, eines flämischen Künstlers des frühen 16. Jahrhunderts.

HAUPTPROBE FÜR DEN ERWEITERUNGSBAU

Im Kontext der Sammlungspräsentation stellt der grosse Platzmangel vor allem im Bereich der oft grossformatigen neueren und Gegenwartskunst ein zunehmendes Problem dar. Gerade durch das temporäre Wegbrechen der Räume im Erdgeschoss (Dauer bis August 2019) fehlt der Platz zum Präsentieren dieser Kunst derzeit fast völlig. Daher ist es sehr willkommen, dass nun Anfang 2018 eine Phase beginnt, die bereits auf den Erweiterungsbau hin konzipiert ist: Nach und nach werden wichtige, aber sonst kaum gezeigte Sammlungsbereiche in ausstellungsartigen Präsentationen im Museum gezeigt, und dies explizit im Hinblick auf ihre Verwendbarkeit im Moment der Eröffnung des Erweiterungsbaus, ab dem das Kunsthaus endlich mehr Platz haben wird.

Als Erstes geplant wurde ein grosses Projekt zur Präsentation von neueren Werken der Installationskunst, das ab Sommer 2018 im jetzigen Baselitzsaal einsetzen wird, der zu diesem Zweck von den Grossformaten der deutschen Malerei von 1966 – 2005, die dort sonst hängen, geleert wird. Ebenso wurde im Berichtsjahr eine Präsentation von Werken der Malerei aus den Bereichen Naive Kunst und Neue Sachlichkeit vorbereitet. Andere Themen werden 2019 folgen, Präsentationsort ist dann wiederum der jetzige Baselitzsaal, der bis zum Bezug des Erweiterungsbaus als offene Sammlungszone Verwendung finden soll.

Auf diese Weise wird das bestehende Kunsthaus in den kommenden Jahren stets auch ein Laboratorium sein, in dem das vorbereitet wird, was dann ab Eröffnung des Erweiterungsbaus zum Tragen kommen soll.

ANKÄUFE UND SCHENKUNGEN

Was die Eingänge von Werken im Berichtsjahr angeht, finden sich komplette Informationen im Anhang, die wichtigsten Eingänge sind im Bildteil abgebildet und zum Teil beschrieben. Ankaufsseitig stellt der Erwerb von Alberto Giacomettis Bildnis des mit ihm freundschaftlich verbundenen Fotografen und Filmers Ernst Scheidegger das grösste Ereignis des Berichtsjahres dar. Das Werk konnte aus Mitteln erworben werden, die durch den Verkauf zweier früher Giacometti-Bronzen bereitgestellt werden konnten. Es handelte sich um zwei Skulpturen, die seit dem Eingang des Legats sowohl in der Giacometti-Stiftung wie auch im Kunsthaus selber und damit doppelt vorhanden waren. Auf diese Weise konnte das wichtige Porträt von Scheidegger, das 1959 vollendet wurde, durch die Zürcher Kunstgesellschaft aus dem Nachlass des Verstorbenen erworben werden. Dieser hatte dem Kunsthaus und der Stiftung zu Lebzeiten ein Vorkaufsrecht zu einem vorab definierten, für Giacometti moderaten Preis zugebilligt. Das Werk ergänzt auf willkommene Art die Gruppe der Gemälde Giacomettis im Kunsthaus. Darüber hinaus würdigt es die Person von Ernst Scheidegger selber, der sowohl dem Kunsthaus als auch der Giacometti-Stiftung (wo er von 1994 bis zu seinem Tod 2016 im Stiftungsrat war) sehr verbunden war. Wie der Anhang zeigt, gelangten per Legat zudem Schenkungen Scheideggers an das Kunsthaus und die Giacometti-Stiftung.

Im Bereich Sammlung (Gemälde, Skulpturen, Installationen) sind weitere Schenkungen zu verzeichnen, unter denen ein schönes, im Kunsthaus in dieser Art noch nicht vertretenes plastisches Werk des grossen Konzeptkünstlers Sol LeWitt hervorsticht. Es wurde von Thomas und Cristina Bechtler zur Erinnerung an ihre bei einem Unfall ums Leben gekommene Tochter Johanna geschenkt. Die Erika Streit-Stiftung schenkte ein gemaltes Selbstporträt von Erika Streit, Frank und Suelly Pilny ein Selbstporträt Otto Pilnys. Im Berichtsjahr ins Kunsthaus kamen sodann zwei kleine Gemälde Vallottons, die der Kunstgesellschaft bereits 2014 geschenkt worden waren, aber zu Lebzeiten noch beim Schenker Dieter Hanhart verblieben waren.

Wir danken allen Schenkern ganz herzlich für diese wesentlichen und hochwillkommenen Erweiterungen unserer Sammlung.

LEIHVERKEHR UND NEUE SAMMLUNGSDATENBANK

Im Rahmen des Leihverkehrs wurden, was die Sammlung im oben erwähnten Sinne angeht, insgesamt 57 Transporte durchgeführt. Betroffen waren 70 Werke aus der Sammlung und 25 Werke aus der Alberto Giacometti-Stiftung. Last, but not least ist zudem die glückliche Beendigung eines für die Sammlung zentralen IT-Projekts zu vermelden: Nach aufwendigen Vorarbeiten konnte das Kunsthaus die neue Sammlungsdatenbank RIA von Zetcom implementieren. Sie wird unter anderem – beides mit dankenswerter Unterstützung durch das Bundesamt für Kultur – die Online-Stellung der Sammlung und damit zusammenhängend die Veröffentlichung neuer Forschungsergebnisse im Bereich der Provenienz-Forschung in der grafischen Sammlung möglich machen.

Philippe Büttner

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