Grafische Sammlung

Das Berichtsjahr in der Grafischen Sammlung war geprägt von wichtigen personellen Wechseln: Nach mehr als 30 Jahren am Kunsthaus und in der Grafischen Sammlung trat Bernhard von Waldkirch per Ende Februar 2017 in den Ruhestand. Mit ihm verliess ein ausgezeichneter Kenner der älteren Kunst auf Papier das Haus. Dass dies eine Lücke hinterlassen würde, war klar. Denn über die Jahre hatte sich Bernhard von Waldkirch ein grosses Wissen über die Sammlung angeeignet und sich engagiert für die Bereiche Druckgrafik und Zeichnung eingesetzt. Da die Kuratorenstelle erst per Anfang 2018 neu besetzt werden konnte, hat das Team der Grafischen Sammlung die von Bernhard von Waldkirch betreuten Gebiete interimistisch übernommen. Trotz dieser Mehrarbeit konnten die Besucheranfragen sowie die Sammlungsarbeiten gut gemeistert werden. Vielen Dank an dieser Stelle an das ganze Team.

Zeitgleich mit dem Weggang von Bernhard von Waldkirch wurde eine neue Organisationsstruktur für die Grafische Sammlung eingeführt. Nach mehr als 20 Jahren gibt es seit März 2017 mit Mirjam Varadinis wieder eine Leitung der Grafischen Sammlung. Diese Reorganisation garantiert kürzere Kommunikations- und Entscheidungswege, was die Abläufe in der Grafischen Sammlung vereinfacht und verbessert.

Ebenfalls im März wurde die Stelle des wissenschaftlichen Mitarbeiters neu besetzt. Nach Joachim Sieber, der die letzten zwei Jahre für die Grafische Sammlung gearbeitet hatte, wurde nun die junge Kunsthistorikerin Sonja Gasser verpflichtet. Neben einer klassischen kunsthistorischen Ausbildung bringt Sonja Gasser viel Wissen im Bereich von Digitalisierung und Online-Präsentationen von Museumssammlungen mit. Dieses zusätzliche Wissen ist für zukünftige Digitalisierungsprojekte der Grafischen Sammlung natürlich hilfreich.

Per Ende November verliess uns mit Armin Simon, der ebenfalls in den Ruhestand trat, ein weiterer langjähriger Mitarbeiter. Während 28 Jahren hat Armin Simon als technischer Mitarbeiter in der Grafischen Sammlung gearbeitet, sich um Montagen und Rahmungen der Werke sowie um die Standort- und Magazinverwaltung gekümmert. Mit Armin Simon ging erneut viel Wissen um die Sammlung verloren. Möglichst viel davon hat er seinem Nachfolger, Thorsten Strohmeier, der per November 2017 seine Stelle antrat, in einer einmonatigen Einführungszeit weitergegeben. Erfreulicherweise konnte die Stelle des technischen Mitarbeiters bei der Neubesetzung auf 100 % aufgestockt werden.

Sowohl Armin Simon wie auch Bernhard von Waldkirch danken wir an dieser Stelle für ihre Arbeit in der Grafischen Sammlung und wünschen ihnen alles Gute für den neuen Lebensabschnitt.

FORSCHUNGSPROJEKT PROVENIENZEN DER GRAFISCHEN SAMMLUNG, 1933 – 1950

Nicht nur auf personeller Ebene brachte das Jahr 2017 viele Veränderungen. Auch auf inhaltlicher Ebene konnte ein wichtiges neues Projekt zur Erforschung der Provenienzen in der Grafischen Sammlung aufgegleist werden. Dieses Projekt wurde im Frühjahr 2017 mit Förderung vom Bundesamt für Kultur (BAK) erfolgreich gestartet. Das auf zwei Jahre angesetzte Projekt wird von unserem ehemaligen wissenschaftlichen Mitarbeiter Joachim Sieber, gemeinsam mit den beiden studentischen Mitarbeiterinnen Silja Meyer und Simone-Tamara Nold, bearbeitet. Das Projektziel ist, die Provenienzen der Zugänge zur Grafischen Sammlung von 1933 bis 1950 zu klären. In diesem Zeitraum gelangten rund 10 000 Werke auf Papier entweder als Schenkung oder als Erwerbung in die Grafische Sammlung. Die Bestände werden auf einen Handwechsel zwischen 1933 und 1945 untersucht. Zum Provenienzprojekt gehören die Erfassung, Überprüfung, Ergänzung, Digitalisierung und Online-Publikation der betroffenen Bestände und deren Provenienz. Das Projekt wird in der Grafischen Sammlung mit den Originalen und den zugehörigen Akten des Archivs durchgeführt. Die Zusammenarbeit in Arbeitsgruppen mit anderen Grafischen Sammlungen in Schweizer und internationalen Museen wird wo möglich realisiert. Für spezifische Bestände werden auch weitergehende auswärtige Recherchen anvisiert.

Bis Ende 2017 ist das Projekt zu einem Drittel fortgeschritten. Es konnten alle rund 10 000 Werke gemäss dem Inventarbuch für einen Datenbankeintrag vorbereitet werden. Aufgrund der grossen Anzahl von Werken wurde eine Typisierung erstellt, worin die Tiefenerschliessung unterschieden wird. Die für das Projekt zentralen Sitzungsprotokolle der Sammlungskommission konnten zudem für den Zeitraum 1933 bis 1949 digitalisiert werden. Nach der in den ersten Monaten vollzogenen quantitativen Herangehensweise wird im folgenden Jahr verstärkt eine qualitative Analyse der Werke vorgenommen.

MEXIKANISCHE GRAFIK

Im Bereich der Sammlung konnte im Berichtsjahr ein langjähriges Projekt zur mexikanischen Grafik abgeschlossen werden. Es handelt sich dabei um das Konvolut, das der Fotograf Armin Haab (1919 –1991) während seiner vielen Reisen in Mexiko zusammengestellt hatte und das vor rund 40 Jahren als Schenkung in die Grafische Sammlung kam. Diese Sammlung enthält mehrere hundert Blätter von 65 verschiedenen Künstlerinnen und Künstlern und gibt einen Überblick über die Entwicklung der mexikanischen Grafik von der Figuration Ende des 19. Jahrhunderts bis zu den ersten abstrakten Darstellungen in den 1970er-Jahren. Die schiere Anzahl der Werke macht deutlich, dass die Aufarbeitung dieser Bestände nicht im «courant normal» der Grafischen Sammlung möglich war. Es bedurfte spezieller Unterstützung von aussen – sowohl in finanzieller wie auch wissenschaftlicher Hinsicht. Milena Oehy, eine ehemalige wissenschaftliche Mitarbeiterin der Grafischen Sammlung, kümmerte sich um die wissenschaftliche Aufarbeitung und publizierte diese in einem sehr schönen, umfassenden Buch. Sie kuratierte auch eine Ausstellung , in der sie eine Auswahl von Werken aus der Sammlung zeigte. Wir danken ihr sehr für ihren Einsatz und bedanken uns auch bei der ARJA Immobilien AG, Zug, die das Projekt finanziell unterstützt hat.

NEUERWERBUNGEN

Bei den Neuerwerbungen konnten im Berichtsjahr einige substanzielle Ankäufe getätigt werden. Vom belgischen Künstler Sven Augustijnen (*1970) wurde das Werk «Le réduit» (2016) angekauft . Augustijnen beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der kolonialen Vergangenheit Belgiens im Kongo. Der Künstler interessiert sich dabei für jene Momente, die in der offiziellen Geschichtsschreibung ausgeblendet werden – so auch bei «Le réduit». Die Dia-Installation erzählt die scheinbar unglaubliche Geschichte einer Rückzugsbasis in der kongolesischen Provinz Katanga, die der belgische Staat dort aus Angst vor einem Einfall der Sowjets in den 1950er-Jahren hat errichten lassen

Von John M Armleder (*1948) besitzt das Kunsthaus wichtige Werke aus unterschiedlichen Phasen seines Schaffens. Doch Zeichnungen, die für sein Werk von zentraler Bedeutung sind, gab es bisher in der Grafischen Sammlung nur eine. Im Berichtsjahr konnte nun eine Gruppe früher Arbeiten auf Papier angekauft und damit eine wichtige Lücke geschlossen werden (siehe dazu Werkbeschreibung).

Eine substanzielle Ergänzung der DADA-Bestände bedeutet der Ankauf der 38 Fotografien, die Tristan Tzara ursprünglich für seine 160-seitige Anthologie «Dadaglobe» vorgesehen hatte. Dieser Ankauf aus Privatbesitz wurde aufgrund der 2016 am Kunsthaus gezeigten Ausstellung «Dadaglobe Reconstructed» überhaupt erst möglich. Bisher befanden sich elf Arbeiten zu «Dadaglobe» im Kunsthaus. Mit der Neuerwerbung ist dieser Bestand auf über ein Drittel der für diese Publikation vorgesehenen Bildbeiträge angestiegen (siehe dazu auch Beitrag).

AKTIVITÄTEN IM STUDIENSAAL UND LEIHGABEN

Den Besucherinnen und Besuchern im Studiensaal der Grafischen Sammlung wurden im Verlaufe des Jahres insgesamt 501 Werke oder Konvolute vorgelegt; darunter 164 Druckgrafiken, 237 Zeichnungen, 47 Skizzen- und Malerbücher, 28 Brief- oder Archivbände sowie 25 Archivschachteln.

Erfreulich ist das rege Interesse von verschiedenen Schweizer Hochschulen, im Rahmen von Lehrveranstaltungen Originale in der Grafischen Sammlung zu betrachten. An interne Ausstellungen wurden 20 Zeichnungen, 64 Druckgrafiken, 1 Fotografie und 1 Performance, an externe Ausstellungen wurden insgesamt 66 Zeichnungen, 48 Druckgrafiken und 20 Fotografien ausgeliehen.

Mirjam Varadinis, Joachim Sieber, Sonja Gasser

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