Ausstellungen

 

FLY ME TO THE MOON. 50 JAHRE MONDLANDUNG

Die Mondlandung am 20. Juli 1969 war ein weltweit beachtetes Ereignis. Zum ersten Mal gab es Bilder von der Erde! Einige der ausstellenden Kunstschaffenden waren euphorisiert. Sie produzierten heldenhafte Darstellungen und repräsentieren die Technik- und Fortschrittsgläubigkeit ihrer Zeit. Andere sahen die Menschheit bedroht. Aus 384 000 km Entfernung wirkt der Blaue Planet verletzlich und klein – ganz im Gegensatz zu den grossen Egos seiner Bewohnerinnen und Bewohner. Anhand von 250 Exponaten von rund 80 Künstlerinnen und Künstlern besetzte das Kunsthaus Themen wie Topografie, Mondlicht und -schatten, mediale Inszenierungen und Schwerelosigkeit.

Die Ausstellung war Magnet für ein sehr diversifiziertes Publikum, auch unterschiedlicher Altersgruppen, insbesondere im Kinder- und Jugendalter sowie jene Generation, die 1969 und die Mondlandung noch selber erlebt hatte. An Forschung und Technik interessierte Menschen machten eine grössere Kategorie von Ausstellungsgängern als üblich aus. Das Ausstellungsprojekt wurde wissenschaftlich vom DLR, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. begleitet. Im Anschluss an die Zürcher Station wurde die Ausstellung vom Museum der Moderne in Salzburg übernommen (20. Juli — 3. November 2019) und dort von den Kuratoren Christina Penetsdorfer, Thorsten Sadowsky und Tina Teufel eingerichtet.

Sämtliche Positionen sind im Katalog aufgeführt und bleiben damit zukünftigen Generationen, die nicht in den Genuss der Ausstellung kommen konnten, zu Konsultations- und Forschungszwecken erhalten. Als Autorinnen und Autoren haben James Attlee, D. Denenge Duyst-Akpem, Walter Famler, Liam Gillick, Cathérine Hug, Ulrich Köhler und Tristan Weddigen mit eigens dafür entstandenen Texten aus kulturwissenschaftlicher, technischer und ethnologischer Perspektive beigetragen.

Ein Diskurs mit acht Sonderveranstaltungen beleuchtete das Thema zusätzlich über den künstlerischen Ansatz hinaus: Kai-Uwe Schrogl (ESA) sprach über Weltraumrecht; zum Mond-Ball erschienen intergalaktische Weltraum-Schönheiten und Scifi-Helden; die Filmvorführung «Operation Avalanche» (2016, Regie Matt Johnson, 94 Min.) im Kino Kosmos bot Gesprächsstoff für den Planetengeologen Ulrich Koehler (DLR); Willy Benz, Leiter der ESA-Mission CHEOPS und Präsident des ESO-Rats, referierte über das Berner Sonnensegel und Exoplaneten; Guido Schwarz sprach über die Vision eines Swiss Space Museum; über die Wirkungsgeschichte der Nacht diskutierten anlässlich des Zurich Art Weekend die Professorin Elisabeth Bronfen und die Ausstellungsteilnehmerin Zilla Leutenegger; und über Architektur-Utopien für Spaceship Earth sprach der Wiener Architekt und Ausstellungsteilnehmer Wolf D. Prix (Coop Himmelb(l)au).

Das Medienecho war sowohl bei Radio und Fernsehen wie in den Printmedien national wie international aussergewöhnlich gross. Am Tag des Mondlandungsjubiläums gelang es dem Kunsthaus sogar, mit einem Foto auf die Titelseite der «Kronenzeitung» zu kommen. Pascal Fleurys Artikel «Ces artistes qui ont croqué la lune» ist in «La Liberté» wie auch in «Le Courrier» (GE) und vier weiteren Zeitungen der Romandie erschienen.

Unterstützt von Swiss Re – Partner für zeitgenössische Kunst, der Truus und Gerrit van Riemsdijk Stiftung und Pro Helvetia.

Cathérine Hug

GUILLAUME BRUÈRE

Guillaume Bruère wurde 1976 geboren und lebt und arbeitet in Berlin. Meist ist er allerdings unterwegs und zeichnet in Museumssammlungen wie z. B. dem Louvre in Paris oder dem Prado in Madrid – und immer wieder im Kunsthaus Zürich. 2012 kam er zum ersten Mal hierher und war seither regelmässig zu Gast. Über 200 Zeichnungen sind so im Kunsthaus entstanden und etwa nochmals so viele im Schauspielhaus Zürich, wo er Proben zu drei Stücken zeichnerisch begleitet hat. Die Ausstellung präsentierte zum ersten Mal eine Auswahl dieser zwei Zürcher Werkgruppen.

Guillaume Bruère arbeitet sehr schnell und sein künstlerischer Output ist gross. Der vibrierende, energiegeladene Pinselstrich ist denn auch sein Markenzeichen. Bruères Zeichnungen haben etwas zutiefst Menschliches, und der Mensch in seiner existenziellen Dringlichkeit steht im Zentrum seiner Arbeit. Kein Wunder spielt das Porträt eine so wichtige Rolle in seinem Schaffen.

Für die Ausstellung entstanden drei neue grossformatige Zeichnungen. Diese zeigen Porträts von Menschen, die normalerweise nicht im Rampenlicht stehen: zwei Aufsichten des Kunsthaus Zürich sowie eine Mitarbeiterin am Empfang vom Schauspielhaus Zürich. Guillaume Bruère rückte sie in den Fokus und stellt sie übermenschengross dar.

Zur Ausstellung entstand ein dicker Katalog, der alle in Zürich realisierten Zeichnungen enthält. Dieses Buch wurde über eine Crowdfunding-Initiative finanziert, was eine absolute Premiere war am Kunsthaus. In Zusammenarbeit mit Thomi Wolfensberger realisierte Guillaume Bruère dafür seine allererste Lithografie, die die Unterstützer des Buches erwerben konnten.

Zwei Zeichnungs-Performances ergänzten die Ausstellung – eine unter Hypnose im Vortragssaal, die andere an einem Sonntagnachmittag an der Zürcher Seepromenade.

Unterstützt durch Swiss Re – Partner für zeitgenössische Kunst und die Dr. Georg und Josi Guggenheim-Stiftung.

Mirjam Varadinis

STUNDE NULL. KUNST VON 1933 BIS 1955

Diese Sammlungsausstellung hatte wie diejenige von 2018 zu den naiven und neusachlichen Werken den Zweck, selten gezeigte Bestände zu sichten und zugänglich zu machen – nicht zuletzt im Hinblick auf die Frage nach deren Potenzial für das erweiterte Kunsthaus. Im Mittelpunkt stand die Frage nach der Entwicklung der Kunst zwischen dem Schicksalsjahr 1933 und dem Jahr 1955. Gezeigt wurden Werke aus Europa (viele davon aus der Schweiz) und Nordamerika. Wie haben Künstlerinnen und Künstler mit ihrem Schaffen auf die massiven Zäsuren von Faschismus und Zweitem Weltkrieg reagiert? Und wie fand die Kunst nach dem Zweiten Weltkrieg und bis in die Mitte der 1950er-Jahre neue Wege, der Existenz Gestalt zu verleihen? Die Antworten auf diese Fragen, wie sie sich aus der Kunsthaus-Sammlung heraus ergeben, waren spannend und oft überraschend. Die gegenständliche Schweizer Kunst stiess auf den Surrealismus, abstrakte Positionen der Nachkriegszeit (École de Paris, Abstrakter Expressionismus) teilten sich den Raum mit modernen Gestaltungen des Menschenbildes (Marc Chagall, Alberto Giacometti, Germaine Richier) und Tinguelys Nouveau Réalisme.

In einer eindrucksvollen separaten Präsentation wurden durch ein Team um Joachim Sieber die Ergebnisse eines vom Bund unterstützten Forschungsprojekts zur Provenienz der Werke auf Papier, die das Kunsthaus für die Grafische Sammlung in den Jahren 1933 bis 1950 erwarb, thematisiert.

Philippe Büttner

MATISSE – METAMORPHOSEN

Trotz einiger verdienstvoller Ausstellungen zum plastischen Werk von Henri Matisse haben sich seine Skulpturen lange nicht so stark ins visuelle Gedächtnis einer breiten Öffentlichkeit eingeprägt wie seine Gemälde oder Papiers découpés. Im Gegenteil, sie standen lange Zeit im Schatten seines malerischen Werks. Die Ausstellung «Matisse – Metamorphosen» setzte sich daher zum Ziel, den französischen Meister als Plastiker einem grossen Publikum bekannter zu machen. Ausgangspunkt der Ausstellung bildeten die vier monumentalen Bronzereliefs «Rückenakt I–IV», die das Kunsthaus Zürich 1960 erwarb. Diese Reliefs, die über eine Zeitspanne von etwas mehr als zwanzig Jahren zwischen 1908 und 1930 entstanden, stellen nicht nur Matisse’ skulpturales Hauptwerk, sondern einen Meilenstein in der Plastik der Moderne dar. Die Schau legte den Fokus auf eine künstlerische Methode, die Matisse bei fast allen seiner wichtigsten Plastiken anwendete: Die formale Verwandlung in «Rückenakt I–IV», die von einer naturalistisch anmutenden Gestaltung hin zu einer radikalen Stilisierung führt, findet sich auch in «Madeleine I–II», «Liegender Akt I–III», «Jeannette I–V» sowie «Henriette I–III». Einerseits führt uns der Künstler damit seinen Schaffensprozess einer bestimmten Figur in verschiedenen Entwicklungsstufen vor Augen, andererseits handelt es sich bei jeder Figur um ein autonomes Werk, das unabhängig von seinen Vorgängern und Nachfolgern seine Daseinsberechtigung beansprucht.

Wie die Ausstellung zeigte, fand dieser Prozess der Verwandlung auch Parallelen in Matisse’ malerischem und zeichnerischem Werk. Vor allem ab Mitte der 1930er-Jahre liess der Künstler von zahlreichen Gemälden Foto­grafien anfertigen, die verschiedene Zustände während der Entstehung dokumentieren. Matisse machte diesen kreativen Prozess bereits zu Lebzeiten in Ausstellungen und Publikationen öffentlich – ein Vorgehen, das ohne Vorläufer war, jedoch Folgen hatte, insbesondere innerhalb der sogenannten Process Art. Im zeichnerischen Werk sind es vor allem seine «Themen und Variationen» von 1941 bis 1942, die mit Matisse’ konzeptuellen Ansatz in Plastik und Malerei verwandt sind. Einen Höhepunkt der Ausstellung bildeten die «Blauen Akte I und IV», die die Prozesshaftigkeit in seinen späten Gouacheschnitten deutlich machten. Der Aspekt der Verwandlung wurde zudem kongenial erweitert durch die Musik von Philip Glass‘ «Metamorphosis I–V» von 1988 sowie durch die eigens für die Ausstellung choreografierte Tanzperformance «Matisse getanzt» von Karin Minger.

Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt in der Ausstellung befasste sich mit Matisse’ Inspirationsquellen. Zum ersten Mal wurde sein intensives Studium fotografischer Vorlagen, die der Künstler aus Zeitschriften entnahm, sowie afrikanischer Vorbilder aus seiner ehemaligen Sammlung in einer seinem plastischen Œuvre gewidmeten Präsentation anschaulich gemacht. Vorbilder der Antike, französische Skulpturen um 1900, fotografische Reproduktionen, die Matisse als Bildhauer zeigen, sowie François Campaux‘ Film über den Künstler von 1946 rundeten diese fokussierte Ausstellung ab.

Die Ausstellung entstand in Kooperation mit dem Musée Matisse, Nizza. Ein Kulturengagement der Credit Suisse – Partner Kunsthaus Zürich. Unterstützt durch die Elisabeth Weber-Stiftung und die Dr. Georg und Josi Guggenheim-Stiftung.

Sandra Gianfreda

PICASSO – GORKY – WARHOL. SKULPTUREN
UND ARBEITEN AUF PAPIER AUS DER SAMMLUNG HUBERT LOOSER

Wenn im Herbst 2021 der Erweiterungsbau des Kunsthaus Zürich eröffnet wird, werden dort auch kostbare Dauerleihgaben der Fondation Hubert Looser zu sehen sein – und zwar im Dialog mit Werken der Kunsthaus-Sammlung. Nach der Ausstellung zur Sammlung Looser von 2013, im Rahmen derer die grossformatigen Gemälde und Skulpturen im Mittelpunkt standen, widmete sich im Berichtsjahr eine zweite Präsentation, die zuerst in der Kunsthalle Krems gezeigt worden war, dem Dialog zwischen dem reichen Bestand an Arbeiten auf Papier und den dazu passenden skulpturalen Werken.

Die Ausstellung präsentierte über hundert Spitzenwerke u. a. aus dem Surrealismus, dem Abstrakten Expressionismus, dem Nouveau Réalisme, der Pop und Minimal Art sowie der Arte Povera. Unter den Künstlerinnen und Künstlern fanden sich neben den im Titel erwähnten u. a. Henri Matisse, David Smith, Yves Klein, Willem de Kooning, Agnes Martin, Richard Serra, Brice Marden, Sean Scully, Fabienne Verdier und Giuseppe Penone. Ebenfalls berücksichtigt wurden einige Werke der Sammlung, die nicht Teil des ans Kunsthaus gehenden Korpus von Dauerleihgaben sind. Dazu gehörten wichtige schweizerische Positionen wie Meret Oppenheim, Serge Brignoni, Kurt Seligmann und Martin Disler. Auf diese Weise konnte auch das Sammlungsgebiet, das am Anfang der Sammlungstätigkeit von Hubert Looser stand, einbezogen werden. Dadurch entstand ein umfassendes Bild dieser bemerkenswerten Sammlung.

Philippe Büttner

WILHELM LEIBL. GUT SEHEN IST ALLES!

Vom 25. Oktober 2019 bis zum 19. Januar 2020 zeigte das Kunsthaus die erste Schweizer Retrospektive von Wilhelm Leibl (1844–1900). Obwohl einer der bedeutendsten Maler des 19. Jahrhunderts, wurde er erst durch die Ausstellung zu einer Entdeckung für viele Besucher. Die beiden Gastkuratoren legten den Schwerpunkt auf die von Leibl selbst betonte Bedeutung des «Wie» der malerischen Ausführung. Mit seinem rigorosen Wahrheitsanspruch begründete Leibl eine eigenständige und moderne Figurenmalerei, in der die Naturwahrheit und das Studium der Alten Meister restlos in das künstlerische Medium umgesetzt werden. Das Akademische und Narrative tritt bei ihm entschieden in den Hintergrund. Ab 1873 zog sich Leibl aufs Land zurück. Von da an widmete er sich vorwiegend der bayerischen Landbevölkerung und wurde deshalb oft missverständlich als «Bauernmaler» bezeichnet. Mit seiner bis heute aktuellen künstlerischen Haltung beeinflusste er Künstlerinnen und Künstler von Liebermann, Kollwitz und Corinth über Beckmann, Lassnig und Buri bis Tillmans.

Im Rahmen der Ausstellung fanden vier begleitende Veranstaltungen statt: «Realistisch zeichnen», ein Workshop in Kooperation mit den Zürcher Urban Sketchers; «Auf ein Bier mit Wilhelm Leibl», Kuratorenführung mit Bernhard von Waldkirch mit anschliessendem Umtrunk; «… bin ich auch heute noch ein Schüler von Leibl … Leibls Wirkung auf die Kunst bis ins 21. Jahrhundert», Kuratorinnenführung mit Dr. Marianne von Manstein vor Originalen aus der Grafischen Sammlung des Kunsthaus Zürich; «Anker und Leibl in Paris», Vortrag von Bernhard von Waldkirch im SIK-ISEA, Zürich

Ein 288 Seiten starker Katalog in Deutsch und Englisch mit neun wissenschaftlichen Beiträgen begleitete die Ausstellung, welche anschliessend an die Albertina in Wien reiste.

Unterstützt von der Hulda und Gustav Zumsteg-Stiftung, der Wolfgang Ratjen Stiftung, Vaduz, für den Katalog und Transport von vier Werken, der Dr. Georg und Josi Guggenheim-Stiftung sowie einer weiteren Stiftung, die nicht genannt sein möchte.

Marianne von Manstein / Bernhard von Waldkirch

DIE NEUE FOTOGRAFIE.
UMBRUCH UND AUFBRUCH 1970–1990

Die aus den Beständen der Fotosammlung und einigen Leihgaben konzipierte Ausstellung stellte die visuellen, konzeptionellen und auch strukturellen Neuerungen der Fotografie in den 1970er- und 1980er-Jahren in den Fokus. In den Jahren verlor die Fotografie an nachrichtlichem Stellenwert und erkämpfte sich als Medium erfolgreich eine Position im Kunstbetrieb. Neuerungen kamen zumeist aus der zeitgenössischen Kunst, wo die Fotografie spätestens seit den 1960er-Jahren für ephemere Kunstformen wie Performancekunst und Konzeptkunst als Dokumentationsmedium verwendet wurde. Die Ausstellung umfasste rund 20 internationale und Schweizer Positionen. Ausgehend von den Einflüssen der Konzeptkunst, Minimal Art und Pop Art der 1960er-Jahre in den Werken von John Hilliard, David Hockney, Stephen Shore und Dan Graham wurde die Hinwendung zur Serialität, Materialität und Monumentalität in der Fotografie der 1970er-Jahre mit Urs Lüthi, Dieter Meier und Fischli /Weiss erfahrbar. Anhand der Themen «Erkundungen des Selbst» und «Un-/Orte der Gesellschaft» wurden die Arbeiten der frühen Schweizer Vertreterinnen und Vertreter der künstlerischen Fotografie wie Balthasar Burkhard, Hans Danuser, Felix Stephan Huber, Beat Streuli, Hannah Villiger, Bernard Voïta, Cécile Wick präsentiert. Mit feministischen und gesellschaftskritischen Positionen wie Alexis Hunter und Marilyn Minter, den Bohème-Bildern von Walter Pfeiffer, den Körperstudien Simone Kappelers und den intimen Interieurs von Annelies Štrba wie auch den menschenleeren öffentlichen Innenräumen von Candida Höfer spannte die Ausstellung einen weiten Bogen der Fotografiegeschichte.

Die Ausstellung wurde unterstützt von Albers & Co AG.

Joachim Sieber

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