Der Leihverkehr und die vielfältigen Ausstellungen inhouse und extern nahmen auch 2023 einen Grossteil der Zeit in Anspruch. So wurden 284 Leihanfragen für externe Ausstellungen bearbeitet, d. h. die angefragten Werke wurden auf ihre Ausleihfähigkeit hin beurteilt und die Ausleihorte auf das Einhalten der international vereinbarten Standards und Klimawerte sowie auf Zugänglichkeit und professionelle Betreuung kontrolliert. Insgesamt reisten 123 Werke an 66 Ausstellungen, 49-mal wurden Werke begleitet. Der Erhaltungszustand weiterer 597 Werke wurde für die Ausstellungen und Sammlungspräsentationen im Kunsthaus kontrolliert und 545 auf die eine oder andere Art konservatorisch bearbeitet. Mehrere Kooperationen mit der Hochschule der Künste Bern, in Form von Studentenbetreuungen, Praktika oder Bereitstellung von Forschungsthemen, fanden in den Fachbereichen Medienrestaurierung und Gemälderestaurierung statt. So gab es Arbeiten zu Rebecca Horns «The Warriors» oder Pipilotti Rists «Yoghurt on Skin – Velvet on TV». Praktikantinnen unterstützten das Team mit Elan und Fachwissen.
Die Diskussionen um Energieeinsparungen und mehr Nachhaltigkeit waren auch 2023 ein ständiger Begleiter, wobei Überlegungen im Vordergrund standen, wie zukünftig Klimavorgaben für Museen etwas grosszügiger formuliert werden können, so dass sie zu deutlichen Energieeinsparungen führen, ohne aber die Kunstwerke zu gefährden. Hier ist absehbar, dass man zukünftig nicht mehr die Regulierung auf fixe Sollwerte fordern wird, sondern «Klimakorridore» und «Schwankungstoleranzen» angibt, was den Planern und Betreibern von Klimaanlagen mehr Spielraum für eine energieoptimierte Programmierung und jahreszeitabhängige Feinjustierung der Anlagen geben wird.
GEMÄLDE
Ferdinand Hodlers grossformatiges Werk «Einmütigkeit» war in diesem Jahr eines der letzten Werke, das nach dem Brand vom August 2022 noch gereinigt wurde. Aufgrund der aussergewöhnlichen Dimension von 3.2 × 10 Meter und dem eher fragilen Erhaltungszustand bedurfte es vor den eigentlichen Restaurierungsmassnahmen umfangreicher Vorbereitungen, die das Einrichten eines temporären Ateliers in einem dafür geschlossenen Sammlungsraum, genaue Analysen der Materialität und Malweise und die Erprobung von geeigneten Methoden zur Festigung und Oberflächenreinigung beinhaltete. Bevor mit der tiefergehenden Reinigung begonnen werden konnte, mussten die gefährdeten Malschichtbereiche mit einer Lupenbrille während fünf Monaten Stück um Stück der 33 Quadratmeter grossen Bildfläche kontrolliert und bei Bedarf gefestigt werden. Für die sich daran anschliessende feuchte Reinigung wurde nach Vorversuchen beschlossen, zwei verschiedene Reinigungsmethoden zu kombinieren. In Bereichen mit geschlossener Malschicht wurde mit dem Modular Cleaning Program (MCP), in den leinwandsichtigen Bereichen mit einer Kombination aus Nanorestore Gels® und MCP gearbeitet. Das MCP ist eine Methode, die auf der Reinigung mit pH-gepuffertem Wasser basiert, dem je nach Bedarf weitere Substanzen hinzugefügt werden können. Die neuartigen «starren» Hydrogele wurden für die Reinigung empfindlicher Oberflächen entwickelt, um Wasser zu binden. Das Bild konnte nach zehn Monaten Restaurierungszeit im Dezember 2023 wieder gehängt werden.
Die Abteilung Provenienzforschung greift bei ihrer Arbeit immer wieder auf die Betrachtung der Originalwerke zurück. So mussten auch 2023 für Abklärungen regelmässig Gemälde bereitgestellt, ausgerahmt und fotografiert werden, was jeweils in enger Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Abteilungen Provenienzforschung, Fotografie, Arthandling und Restaurierung stattfand. Auch etwa 115 Bührle-Gemälde, die für die neue Ausstellung der Sammlung Bührle vorgesehen waren, wurden so im hauseigenen Fotostudio durch die Kunsthaus-Fotografin von vorne und hinten neu fotografiert, wozu jeweils auch der Rückseitenschutz entfernt werden musste, um evtl. vorhandene Label und Aufschriften auf Rahmen, Keilrahmen und Leinwand dokumentieren zu können. Zugleich war dies immer auch eine Gelegenheit, die Einrahmung konservatorisch zu verbessern, Verglasungen zu erneuern, Rahmenaufdopplungen durch die Schreinerei herstellen zu lassen und kleinere konservatorische Massnahmen an Gemälden und Rahmen durchzuführen. So konnten in dieser Phase verschiedene Versionen von Schwingschutz weiterentwickelt werden, um v. a. Vibrationen (die zu Destabilisierungen der Malerei führen) so weit wie möglich zu minimieren.
SKULPTUREN / PLASTIKEN
Im Bereich Skulptur / Plastik wurden neben den Ausstellungbegleitungen die Aussenskulpturen umfänglich gereinigt und gepflegt. Dabei zeigte sich, wie wichtig «Monitoring» ist, da kleine konservatorische und restauratorische Massnahmen sofort ausgeführt oder projektiert werden konnten. Der Leihverkehr ist im Bereich Skulptur oftmals besonders aufwendig, da die Bereitstellung der Objekte, Planung geeigneter Transportbehältnisse und Begleitung am Ausstellungsort oft sehr umfangreich sind. Die Komplexität und Fragilität der Werke machten häufig Begleitungen unabdingbar So waren die Kurierfahrten in diesem Jahr mit insgesamt etwa sechs Wochen Arbeitszeit des Skulpturenrestaurators sehr zahlreich. Im Zuge der Leihanfrage der «Boule suspendue» von Alberto Giacometti für die «Giacometti – Dalí»-Ausstellung im Kunsthaus Zürich konnten neue Standards für den Bau der Transportkisten besonders fragiler Objekte umgesetzt werden. Das kunsttechnologische Projekt zum «Chariot» von Alberto Giacometti konnte in diesem Jahr weitergeführt werden. Die Schwerpunkte der Untersuchungen lagen auf dem technischen Aufbau, der Armstellung des linken Arms, der speziellen Patinierungstechnik und der Ermittlung der Korrosionsprodukte. Die Ergebnisse sind spannend und erlauben Interpretationen zum ursprünglichen Aussehen und der Stabilität. Auch die Skulpturenrestaurierung arbeitete in diesem Jahr eng mit der Abteilung Provenienzforschung zusammen. So wurden etwa 20 Skulpturen genauer unter die Lupe genommen, deren Zustand vorgängig genauer untersucht und alle Werke gereinigt.
KUNSTWERKE AUF PAPIER UND FOTOGRAFIE
In den Aufbauphasen aller Ausstellungen war dieses Jahr die Mitarbeit von Grafik-Restauratorinnen gefragt. Manche dieser Ausstellungen, wie z. B. «Stellung beziehen – Käthe Kollwitz», verlangten zudem vorausgehende Vorbereitungen, wenn viele der Werke aus der Grafischen Sammlung des Kunsthauses gezeigt werden sollten. Für die Ausstellung «Zeit. Von Dürer bis Bonvicini» wurde z. B. «La Boîte en valise» von Marcel Duchamp bearbeitet. Eine Gelegenheit, das Werk auch ausführlich zu dokumentieren, kunsttechnologisch zu untersuchen und mit anderen Versionen seiner «Schachteln im Koffer» zu vergleichen. Die Kooperation mit dem Cabaret Voltaire existiert erfreulicherweise weiterhin und so werden dort alle drei Monate einzelne Werke und Dokumente aus der Dada-Sammlung des Kunsthauses präsentiert. Wie jedes Jahr sind auch in diesem Jahr viele Neuankäufe ins Kunsthaus gekommen und wurden erfasst, dokumentiert und gelagert. Aufgrund der personellen Wechsel in der Fachabteilung konnten jedoch keine aufwendigen Erhaltungs- und Untersuchungsprojekte umgesetzt werden.
MEDIENKUNST UND INSTALLATIONEN
Das im Vorjahr mit Unterstützung von Memoriav, Verein zur Erhaltung des audiovisuellen Kulturgutes der Schweiz, gestartete Born-digital-Projekt war auch im 2023 ein Schwerpunktthema der Medienkonservierung. Es bot die Gelegenheit, unsere internen Arbeitsabläufe zu stärken und neue Standards zu etablieren. So wurde der Prozess beim Disk-Imaging von verschiedenen Datenträgern definiert. Weiter bot die ausführliche Untersuchung von Medienkunstwerken die Möglichkeit, eine systematische Aufnahme von kunsttechnologischen Erkenntnissen in die Museumsdatenbank einzuführen. Eine besondere Herausforderung stellte die Erhaltung des Werkes «Three Windows – Hommage à Robert Lax» von Nicolas Humbert und Werner Penzel dar, bei dem die 25-jährigen Computer-Festplatten gesichert werden mussten. Diese technische Schwierigkeit führte zu einer dynamischen und interdisziplinären Kollaboration mit Experten aus der Tate in London und der Cinémathèque suisse in Lausanne. Die enge Zusammenarbeit zwischen der Medienrestaurierung und der AV-Technik war nach wie vor der Schlüssel zum Erfolg vieler unserer Projekte. Besonders spannend waren die Vorbereitungen und Umsetzungen von Präsentationen von Medienkunstwerken mit ihrer historischen Technik. Das Kunsthaus Zürich präsentierte eine 16mm-Filminstallation von Marcel Broodthaers sowie eine 35mm-Filmarbeit von Manon de Boer und George van Dam. Beide Werke benötigten den Einsatz von analogen Filmloopern, die sowohl in der Bedienung als auch in der Wartung wiederkehrende Herausforderungen darstellten. In Vorbereitung auf die Präsentation der partizipativen Installation «Wer schläft zuerst» von San Keller wurde ein ausführliches Gespräch mit dem Künstler geführt, um die Modalitäten der Werkpräsentation und Aspekte der Langzeiterhaltung zu definieren. Zum Schutz des originalen Werks wurde beschlossen, eine Ausstellungskopie des Bettes anzufertigen. Dafür wurde ein neuer Druck des originalen Stoffs produziert. So konnte sich das Publikum der «Zeit»-Ausstellung sorglos auf das Bett legen, um darauf – wie vom Künstler beabsichtigt – einzuschlafen.