Studie zu «Das Kreisen der Planeten», nach 1905

Augusto Giacometti
Studie zu «Das Kreisen der Planeten», nach 1905

Das zuletzt 2018 restaurierte und seither in neuem Glanz erstrahlende Gemälde «Das Kreisen der Planeten» (vgl. Jahresbericht 2018) hat nun eine für die Werkgenese äusserst aufschlussreiche Zeichnung zur Seite gestellt bekommen, die aus dem direkten Nachlass des Künstlers erworben werden konnte. Offenkundig handelt es sich um eine Vorstudie zum Ölbild. Die Zeichnung weist – im Gegensatz zur finalen Version – noch ein quadratisches Format auf und ist nahezu vollständig in Kohle ausgeführt. Mit weisser Kreide werden einzig die Vielzahl von Sternen am Firmament angedeutet, die sich auch im Gemälde wiederfinden. Der direkte Vergleich von Zeichnung und Gemälde zeigt zudem, dass Giacometti die Anlage der Figuren im Bildraum später noch variieren sollte. Hierfür dienten ihm wohl Einzelstudien, die er mit dem Grafitstift ausführte. Das Bündner Kunst­museum Chur besitzt entsprechende Figurenskizzen (Inv.-Nr. 1712.000.1974 und Inv.-Nr. 1714.000.1974).1 Auch das Schweizerische Kunstarchiv (SIK-ISEA) verwahrt eine vorbereitende Gewandstudie im Teilnachlass Augusto Giacometti.2 Dort befindet sich ferner eine kleine Studie in Öl, die wiederum die Gesamtanlage des Bildes in den Blick nimmt.3

Was in dem abschliessenden Gemälde mittels der Farbe bewirkt wird, nämlich die einzelnen Flächenpartien klar voneinander abzusetzen, ergibt sich in unserer Zeichnung durch den wohlausgewogenen Kontrast von Hell und Dunkel. Die flächig­-ornamentale Gesamtstruktur des Bildes ist somit in dieser Studie schon angelegt.4 Das Blatt bildet gleichsam den Nucleus der Bildidee und nimmt die charakteristischen Merkmale der späteren Ausführung in Öl vorweg.

Während Augusto Giacometti mit seinem malerischen Werk sehr gut im Kunsthaus Zürich vertreten ist, ist auf dem Gebiet der Grafik noch Spielraum für einen Ausbau der Sammlung. Umso erfreulicher, dass dieses Jahr neben der hier beschriebenen Zeichnung noch sechs weitere Blätter, namentlich Vorzeichnungen Giacomettis zu seinem geplanten Jenatsch-Kalender von 1908, in die Grafische Sammlung gelangt sind.

Jonas Beyer

 

1Augusto Giacometti: ein Leben für die Farbe. Pionier der abstrakten Malerei, Ausst.-Kat. Bündner Kunstmuseum Chur, bearb. v. Hans Hartmann, Chur 1981, S. 212, Nr. 566 und 567.
2SIK-ISEA, Schweizerisches Kunstarchiv, Teilnachlass Augusto Giacometti, HNA 13.1.1.10.
3SIK-ISEA, Schweizerisches Kunstarchiv, Teilnachlass Augusto Giacometti, HNA 13.1.1.1. Dank an Silja Meyer für diesen Hinweis.
4Zur Flächenwirkung des Gemäldes vgl. Beat Stutzer, Eines «der seltsamsten Phänomene»: Zu Leben und Werk von Augusto Giacometti, in: Augusto Giacometti. Wege zur Abstraktion, Ausst.-Kat. Bündner Kunstmuseum Chur, hrsg. v. Beat Stutzer, Zürich 2003, S. 21. Eine revidierte Neuausgabe des Katalogs erschien 2021.

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