Bildnis Arnold Böcklin, 1894/1895

Ernst Würtenberger
Bildnis Arnold Böcklin, 1894/1895

Zahlreiche Künstler schufen gemalte und plastische Porträts von Arnold Böcklin (1827 –1901), der zu Lebzeiten als einer der grössten Maler im deutschsprachigen Raum verehrt wurde. Ein solches kam 2020 als Schenkung ins Kunsthaus Zürich. Es ergänzt dessen kleine Gruppe an Bildnissen des Basler Meisters. Dabei entstanden die wenigsten direkt vor dem Modell – Böcklin galt als reservierter Mensch –, sondern auf Grundlage von Fotografien.

Auch der deutsche Maler und Grafiker Ernst Würtenberger (1868 –  1934) schuf bereits Bildnisse von Böcklin, noch bevor er diesen persönlich kennenlernte.1 In seinem Nachlass sind Abzüge erhalten, die ihm als Vorlage gedient haben dürften.2 Bei der hier besprochenen kleinformatigen Holztafel, die die Aufschrift «A. BŒCKLIN / FLORENZ / E.W. gem.» aufweist und auf 1894 /1895 zu datieren ist, wird dies vermutlich auch der Fall gewesen sein. Die Ortsangabe ist nicht eindeutig auf den Dargestellten oder den Malenden zu beziehen,3 sicher aber ist, dass Würtenberger erst im Oktober 1895 für einige Monate nach Florenz reiste, um mit seinem grossen Vorbild in Kontakt zu treten.

Das Gemälde zeigt den damals in Florenz beziehungsweise San Domenico niedergelassenen Maler als Brustbild im Dreiviertelprofil nach rechts schauend. In Blickrichtung hinter ihm steht vor einem sattgrünen Vorhang eine unbemalte Leinwand auf einer Staffelei, die mit oben genannter Aufschrift versehen ist. Beide Elemente – der Vorhang und die unbemalte Leinwand – könnten eine Anspielung auf Böcklins «Selbstbildnis im Atelier» von 1893 (Kunstmuseum Basel) sein. Der Kopf selbst wird von einem anthrazitgrauen Grund umrahmt, wodurch die hellen Gesichts- und Haarpartien besser zur Geltung kommen. Würtenbergers Farbpalette ist zurückhaltend dunkeltonig, sein Pinselstrich je nach Bedarf grob oder fein aufgetragen. Das Porträt ist malerisch aufgebaut, kommt also ohne harte Konturen aus. Obschon Würtenberger Licht- und Schattenpartien einsetzt, weist das Bild im Zusammenspiel von Figur und Grund keine ausgearbeitete Plastizität auf. Dies mag an seiner Unerfahrenheit liegen, fertigte er das Gemälde doch während seiner Studienjahre an.4

Böcklins Malerei hatte den jungen Künstler um 1893 bei einem Besuch des Künstlerguts, der Vorgängerinstitution des Kunsthaus Zürich, nachhaltig geprägt. Würtenberger setzte sich in der Folge nicht nur künstlerisch, sondern auch kunsttheoretisch mit Böcklin auseinander.5 1902 liess sich Würtenberger in Zürich nieder, nahm in der Zürcher Kunstgesellschaft eine aktive Rolle ein und wurde zum gefragtesten Porträtisten der Stadt. So betrachtet kehrt das «Bildnis Arnold Böcklin» nun an Würtenbergers Inspirations- und Wirkungsort zurück.

Sandra Gianfreda

1Zum Beispiel: «Arnold Böcklin», 1894, Öl auf Holz, 52 × 44,2 cm, Kunstmuseum Thurgau, Kartause Ittingen (Inv. Nr. 1999.861), Abb. in: Yvonne Istas, Künstlerbrüder Würtenberger. Karl Maximilian (1872 –1933) und Ernst (1868 –1934), Ausst.-Kat. Stadtmuseum im Alten Forstamt, Stockach 2010, S. 64.
2Ernst Würtenberger. Ein deutscher Maler in der Schweiz, Ausst.-Kat. Städtische Wessenberg-Galerie Konstanz / Hermann-Hesse-Höri-Museum Gaienhofen, hrsg. von Barbara Stark, Wädenswil 2017, S. 36.
3Auf der Rückseite des Gemäldes befindet sich ein Aufkleber mit der handschriftlichen Notiz eines Dr. O. Brugger aus Kreuzlingen, einem ehemaligen Schul- und Jugendfreund des Künstlers. Brugger verortete die Anfertigung des Gemäldes nach Florenz.
4Würtenberger studierte von 1888 bis 1892 an der Königlichen Akademie der Bildenden Künste München, hielt sich im Winter 1895 / 1896 bei Böcklin in San Domenico bei Florenz auf und vollendete seine Ausbildung an der Grossherzoglichen Badischen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe von 1896 bis 1898.
5Siehe zuletzt: Ernst Würtenberger (wie Anm. 2), S. 34–36.

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