Grafische Sammlung

Zum Team der Grafischen Sammlung gehört seit Januar 2018 Jonas Beyer (*1981). Er übernahm die vakante Kuratorenstelle für den älteren Sammlungsbereich und betreut als Konservator die Werke auf Papier vom 15. bis 19. Jahrhundert. Zuvor arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Ausstellungskurator an der Hamburger Kunsthalle. Dort war er für Ausstellungen mit besonderem Fokus auf Zeichnungen und Druckgrafiken zuständig und kuratierte Überblicksausstellungen etwa zur französischen Lithografie im 19. Jahrhundert, zur romantischen Arabeske oder zum druckgrafischen Werk von Charles Meryon. Erfreulicherweise konnte mit der Neubesetzung der Stelle das Pensum auf 80 % erhöht werden, was den gestiegenen Anforderungen sowohl im Bereich der Sammlung wie auch der Ausstellungen Rechnung trägt.

INVENTUR UND DIGITALISIERUNG

Das durch die Neubesetzung gestärkte Team führte in den Sommermonaten das lange geplante Vorhaben einer Inventur des Zeichnungsbestands durch. Der Abgleich zwischen den historischen Standortverzeichnissen und den Standorten der Originale gibt nun einen verlässlichen Überblick über den Gesamtbestand der Zeichnungen. Die Inventur brachte auch einige Überraschungen mit sich, wie eine kleine, bislang nicht dokumentierte Sammlung an Ukiyo-e-Holzschnitten des japanischen Künstlers Utagawa Hiroshige sowie anderer japanischer Formschneider. Ausserdem waren in der Vergangenheit mehrere Lithografien als Doubletten abgelegt worden, bei denen es sich jedoch um abweichende Druckzustände handelt. Druckgrafiken von Hans Sebald Beham, die als Teil der Dürer-Sammlung von Landammann Dietrich Schindler ans Haus kamen, wurden nun einzeln in der Museumsdatenbank erfasst und somit erstmals systematisch dokumentiert. Mit der Inventur wurde auch ein erster Schritt zur Digitalisierung der Grafischen Sammlung geleistet. Zur Vorbereitung erstellte unsere wissenschaftliche Mitarbeiterin Sonja Gasser nämlich eine digitale Liste aller Zeichnungen und ihrer Standorte. Dank dieser nun elektronisch vorliegenden und während der Inventur aktualisierten Grundinformationen können zahlreiche noch fehlende Werke in die Sammlungsdatenbank MuseumPlus RIA eingepflegt werden. Dieser Schritt erfolgt, sobald das aufwendige Anlegen der benötigten Künstlerinnen- und Künstler-Datensätze in der Datenbank abgeschlossen ist. Alle Inhaltsverzeichnisse sämtlicher Archivschachteln wurden zudem aktualisiert und neu erstellt.

Auch im Bereich der Videosammlung wurden bei der Erfassung und Dokumentation in MuseumPlus RIA entscheidende Fortschritte erzielt. Dies dank der Mitarbeit von Stefanie Wenzler, die seit April 2018 befristet für das Videorestaurierungs- und Digitalisierungsprojekt arbeitet. Die Inventarisierung der noch nicht in der Museumsdatenbank erfassten Einkanal-Videos konnte im Berichtsjahr zügig voranschreiten und wird bis Mitte 2019 abgeschlossen sein.

Parallel zur Digitalisierung des Inventars der einzelnen Sammlungsbestände erfolgt die visuelle Dokumentation. Mit der Inbetriebnahme einer Repro-Anlage, die im Rahmen des Provenienz-Projekts (siehe unten) angeschafft wurde, sind nun die Voraussetzungen geschaffen, um die Sammlungsbestände auf Papier sukzessive zu digitalisieren. Thorsten Strohmeier, unser technischer Mitarbeiter, bringt auf dem Gebiet viel Erfahrung und Fachwissen mit, was dabei hilft, diese wichtige Aufgabe und grosse Herausforderung mit der nötigen Voraussicht anzugehen.

NEUERWERBUNGEN / DAUERLEIHGABEN

Die Grafische Sammlung konnte ihre Bestände im Berichtsjahr in verschiedenen Bereichen substanziell erweitern: Bei der zeitgenössischen Kunst ist eine frühe Serie von Siebdrucken von Maria Lassnig (1919–2014) zu erwähnen, die die Künstlerin 1969/1970 in New York realisiert hatte. Unter dem Einfluss der Pop Art begann Lassnig, die Siebdruck-Technik zu erlernen. Entstanden sind Blätter, die etwas ungewöhnlich Verspieltes haben und eine neue Facette in Lassnigs Werk entdecken lassen. Mit einer Serie von Zeichnungen aus dem Jahre 1978 ist von David Weiss (1946–2012) ebenfalls ein Frühwerk hinzugekommen – aus der Zeit vor seiner Zusammenarbeit mit Peter Fischli.

Bei den Erwerbungen im Bereich der älteren Grafik ist auf eine Zeichnung von Eugène Delacroix hinzuweisen, die der Vorbereitung seines bedeutenden Faust-Zyklus diente. Ferner war die Erwerbung einer Zeichnung von Honoré Daumier umso naheliegender, als die Grafische Sammlung einerseits fast das komplette lithografische Œuvre dieses Künstlers besitzt und andererseits im Jahr 2007 eine Ausstellung zu Daumiers Zeichnungen am Kunsthaus Zürich ausgerichtet wurde.

Eine wichtige Stärkung der Hodler-Bestände konnte über eine Dauerleihgabe der Werner Coninx Stiftung erreicht werden. Die über hundert Zeichnungen ergänzen den bereits vorhandenen, reichen Bestand an Ferdinand Hodler-Zeichnungen im Kunsthaus sehr gut. Die Inventarisierung dieser Blätter übernahm Milena Oehy, eine ehemalige wissenschaftliche Mitarbeiterin der Grafischen Sammlung.

PROVENIENZEN DER GRAFISCHEN SAMMLUNG, 1933–1950

Im Rahmen des im Vorjahr gestarteten wissenschaftlichen Forschungsprojekts «Provenienzen der Grafischen Sammlung im Kunsthaus Zürich» mit Förderung vom Bundesamt für Kultur (BAK) konnte im Frühjahr 2018 eine Repro-Anlage in Betrieb genommen werden, welche erstmals eine interne Digitalisierung der untersuchten Bestände ermöglicht. Dank der guten Quellenlage im Archiv der Zürcher Kunstgesellschaft konnten – wenn auch mit grösserem zeitlichem Aufwand als geplant – mit wenigen Ausnahmen die letzten Besitzer der zwischen 1933 und 1950 erworbenen Werke identifiziert werden, womit Rückschlüsse auf die Sammlungs- und Händlerkreise des Kunsthauses gezogen werden konnten. Im letzten Drittel des Projekts, das bis Frühjahr 2019 läuft, konnte sodann die qualitative Analyse ausgehend von den Originalen in Angriff genommen werden. Basierend auf einer Prioritätenliste wurden spezifische Werke anhand eines durch (inter-)nationalen Austausch entwickelten Rechercheleitfadens untersucht. Dabei wurde das Werk auf Beschriftungen und Stempel untersucht, die Sitzungsprotokolle und Korrespondenzen im Archiv konsultiert, der aktuelle Forschungsstand anhand neuester Literatur und zentraler Forschungsdatenbanken abgeglichen sowie im Kontakt zu Erben oder Kunsthandlungen spezifische Lücken zwischen 1933 und 1950 zu klären versucht. Die Projektergebnisse werden 2019 in einer Ausstellungspräsentation vorgestellt sowie auf der Website und in der Sammlung Online des Kunsthauses zugänglich gemacht.

AKTIVITÄTEN IM STUDIENSAAL UND LEIHGABEN

Den Besucherinnen und Besuchern im Studiensaal der Grafischen Sammlung wurden im Verlaufe des Jahres insgesamt 387 Werke oder Konvolute vorgelegt; darunter 23 Druckgrafiken, 191 Zeichnungen, 118 Skizzen- und Malerbücher, 40 Fotografien, 11 Brief- oder Archivbände sowie 4 Archivschachteln. Erfreulich ist das rege Interesse von verschiedenen Schweizer Hochschulen, im Rahmen von Lehrveranstaltungen Originale in der Grafischen Sammlung zu betrachten. Ausserdem war der Weiterbildungslehrgang «Material und Technik» des Schweizerischen Instituts für Kunstwissenschaft für eine Seminarsitzung zu Zeichentechniken von Johann Heinrich Füssli und Ferdinand Hodler im Studiensaal zu Gast. An interne Ausstellungen wurden 5 Zeichnungen, 51 Druckgrafiken, 28 Fotografien, 1 Skizzenbuch, 4 Collagen, 1 Multiple, 1 Video und 1 Videoinstallation; an externe Ausstellungen wurden insgesamt 63 Zeichnungen, 20 Druckgrafiken und 41 Fotografien, 6 Collagen, 1 Video und 1 Filminstallation ausgeliehen.

Mirjam Varadinis, Jonas Beyer, Joachim Sieber, Sonja Gasser

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