Ansicht Bergens, Gesehen Von Der Nördlichen Einfahrt

Johan Christian Dahl
Ansicht Bergens, Gesehen Von Der Nördlichen Einfahrt, 1834

Seit diesem Jahr ist das Kunsthaus Zürich im Besitz einer bedeutenden Werkgruppe des norwegischen Romantikers Johan Christian Dahl (1788 – 1857). Insgesamt 19 Gemälde von Dahl sowie jeweils ein Werk seiner Schüler Thomas Fearnley (siehe Abbildung) und Peder Balke umfasst die grosszügige Schenkung des Osloer Unternehmers, Kunstsammlers und Mäzens Christen Sveaas, der sich seit seinem Studium in St. Gallen der Schweiz verbunden fühlt und dessen Geschenk an das Kunsthaus Ausweis dieser persönlichen Zuneigung ist.

Dahl bewohnte in Dresden dasselbe Haus wie sein Künstlerfreund Caspar David Friedrich und zählt gemeinsam mit diesem zu den international bekanntesten Romantikern. 1 In den Werken des Kunsthauses erweist sich Dahl einmal mehr als Meister des kleinen Formats. Es ist das intime Medium der Ölstudie, das ihm die Leichtigkeit im Farbauftrag erlaubte. Durch die suggestive Wirkung rasch hingeworfener Pinselstriche sind selbst Bilder im überaus kleinen Format von 7,3 × 12 cm («Die Oder im Mondschein bei Swinemünde», ZKG.2018/0016) von einer stupenden Frische und zupackenden Spontaneität.

Die Werkgruppe im Kunsthaus spiegelt zudem die gesamte Bandbreite der Wirkungsorte Dahls wider. Ansichten rund um Neapel (etwa «Der Vesuv von Ischia aus gesehen», ZKG.2018 / 0004, oder auch «Blick über Quisisana und die Küste Neapels», ZKG.2018/0006) legen Zeugnis davon ab, dass dieser Künstler – im Gegensatz zum notorischen Italienverweigerer Friedrich – wesentliche künstlerische Anregungen im Süden erfuhr. Ansichten von Dresden und Umgebung wiederum lassen ihn im Kreis der Dresdner Romantiker verorten. Der Dresdner Akademie war er nicht nur als Mitglied, sondern seit 1824 auch als Professor verbunden. Die hier näher interessierende Ansicht Bergens schliesslich verweist auf sein Herkunftsland, das er nach langer Abwesenheit erstmals 1826 wieder besuchte.

Unser Bild ist kurz vor seiner Rückreise nach Dresden am 15. September 1834 und wohl direkt vor der Natur entstanden. Der Blick auf die nördliche Einfahrt in den Hafen von Bergen wird dominiert von dem hohen Felsen im Hintergrund, der sich in majestätischer Würde über der Stadt erhebt. Die relativ niedrige Horizontlinie lässt den Himmel zu voller Wirkung kommen, wobei die Wolken in ihrer Flüchtigkeit durch einige summarische, pointiert gesetzte Tupfer mit dem Pinsel virtuos eingefangen werden.

Insgesamt strahlt das Werk eine bemerkenswerte Ruhe aus und kontrastiert insofern mit Dahls grossen, dramatisch aufgefassten Norwegenansichten, die ganz in der Tradition der holländischen Landschaftsmalerei stehen. Die Erfahrungen, die Dahl in Italien mit der Technik der Ölskizze machte, scheinen in diesem kleinen, malerisch exquisiten Gemälde versuchsweise auch an der nordischen Landschaft angewendet worden zu sein.2 Noch den heutigen Betrachter frappiert die Frische des künstlerischen Zugriffs, die aus dieser Ansicht Bergens, der Geburtsstadt Dahls, spricht.3

Jonas Beyer

1Für einen vergleichenden Blick auf beide Künstler vgl. in jüngster Zeit bes. Dahl und Friedrich. Romantische Landschaften, Ausst.-Kat. Albertinum, Dresden / Nasjonalgalleriet, Oslo, Dresden 2014.
2Vgl. die Ausführungen Ortrud Westheiders in: Wolkenbilder. Die Entdeckung des Himmels, Ausst.-Kat. Bucerius Kunst Forum, Hamburg / Alte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin, Berlin / Aargauer Kunsthaus, Aarau, München 2004, Kat. Nr. 148, S. 123.
3Jan Drees spricht sogar von einem «vorimpressionistischen Eindruck», der von diesem Bild ausgehe, in: Johan Christian Dahl. Der Freund Caspar David Friedrichs, Ausst.-Kat. Schloss Gottorf, Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen, Schleswig, Köln 2002, Kat. Nr. 55, S. 216.

Johan Christian Dahl
Blick auf die Elbbrücke, 1840
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